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Die Entscheidungsmethode, die niemanden im Regen stehen lässt. Demokratische Gruppenentscheidungen – Inklusiv. Das Systemische Konsensieren

Eine Entscheidung in einer Gruppe zu treffen, ist nicht immer einfach. Vor allem, wenn Rücksicht auf alle genommen werden möchte, kann sich die Findung nach der einen Lösung als sehr kompliziert darstellen. Ich habe versucht ein schon bekanntes Konzept inklusiver zu gestalten, damit es jedem gerecht wird.

Eine Entscheidungsform, die Minderheiten beachtet

Es ist nun schon etwas länger her, da durfte ich das Demokratie-Spiel Quararo kennenlernen.

Dort habe ich zum ersten Mal von einer Entscheidungsform gehört, die anders als ein Mehrheitsentscheid ablief und die Gefühle und Meinungen der Einzelnen miteinbezog.

Ich war begeistert von diesem Spiel, das einen spielerischen Zugang zu einer demokratischen Erziehung ermöglicht. Am meisten ist mir jedoch diese besondere und sensible Entscheidungsform im Kopf geblieben: Das systemische Konsensieren.

Den Namen habe ich mir zuerst gar nicht merken können, aber eine Sache blieb mir prägend in Erinnerung. Jeder wird gehört und nicht nur die Mehrheit hat das sagen.

Was ist das systemische Konsensieren?

Das systemische Konsensieren, auch SK-Prinzip genannt, ist eine Art der Gruppenentscheidung, die von Visotschnig und Schrotta entwickelt wurde.

Es werden Lösungsvorschläge gesammelt und alle Personen geben zu jedem Vorschlag ihren Widerstandswert an, das heißt wie sehr dieser Vorschlag abgeneigt wird. Je höher die Abneigung, desto höher der Wert. Das bedeutet, wenn jemand überhaupt nicht mit einem Vorschlag übereinstimmt und sich sehr dagegen wert, dann hat diese Meinung hier mehr Gewicht, als jemandem, dem es relativ egal ist.

Das systemische Konsensieren kann passend zum Thema Demokratie in der Schule durchgeführt werden und bewusst neben dem Mehrheitsentscheid einmal ausprobiert werden. Dabei kommen die Stärken und Schwächen der beiden Methoden gut zur Geltung.

Entscheidungen treffen für ALLE ermöglichen – ein Versuch

Da vielen diese Form unbekannt ist, dachte ich, ich möchte darüber berichten und ermutigen dies im Klassenzimmer oder in anderen Gruppen zu versuchen.

Damit auch jüngere Menschen oder Menschen, die beim Verstehen des Vorgangs eventuell Schwierigkeiten entgegenstehen, ebenso Zugang dazu haben, habe ich mich daran versucht, das systemische Konsensieren zu vereinfachen bzw. zu verbildlichen. Die Idee dahinter ist, das ganze auf eine metaphorische, bildliche Ebene zu setzen.

An sich gilt jedoch immer, dass das systemische Konsensieren als Methode erst einmal mit der Gruppe erprobt werden sollte und das Vorgehen in Ruhe kennengelernt wird. Sodass dann im Ernstfall einer Gruppenentscheidung, es einfach angewendet werden kann.

Ich habe hier das Grundprinzip einmal vereinfacht und dann ausführlicher notiert. Anschließend komme ich zu meinem Ansatz, das Ganze zu verbildlichen und zugänglicher zu machen.

Was brauche ich dafür? – Material

  • Eine Tafel/Flipchart/Whiteboard o.ä… (Etwas zum Aufschreiben o. Aufmalen, das alle sehen)
  • Eventuell einen Taschenrechner (Die Rechnungen beziehen sich auf das Zusammenzählen von Werten von 1-5)
  • Meine Bilder-Vorlagen, wenn es erwünscht ist.

Das Grundprinzip – ganz einfach

  • Eine Gruppe soll eine Entscheidung treffen.
  • Die Gruppenmitglieder nennen ihre Lösungsvorschläge und eine Passivlösung (also alles bleibt beim Alten) und diese werden notiert.
  • Jedes Mitglied nennt seine Widerstandspunkte von 0 – 5 für jeden einzelnen Vorschlag.
  • 0 – keine Abneigung gegen diesen Vorschlag
  • 5 – große Abneigung gegen diesen Vorschlag
  • (kann per Handzeichen gezeigt werden oder mit meinem Material o.ä. siehe unten)
  • Ausrechnen, wie viel Punkte jeder Vorschlag hat.
  • Der mit den wenigsten Widerstandspunkten ist der, der gewählt wird.

Das Grundprinzip des systemischen Konsensierens – ausführlich

  • Ausgangspunkt: Die Gruppe steht vor einer Fragestellung, die nicht nur mit JA oder NEIN beantwortet werden kann.
  • Es werden Rahmenbedingungen analysiert werden: Was kann NICHT geändert werden, (gibt es zum Beispiel festbetonierte Elemente auf dem Pausenhof oder Feuerschutzverordnungen o.ä. – bspw. bei der Frage, wie der Pausenhof umgestaltet werden kann)
  •  Es wird eine Passivlösung generiert d.h. es ändert sich nichts und alles bleibt wie es ist- als Lösungsvorschlag
  • Jetzt können weitere Lösungsvorschläge von den Gruppenmitgliedern genannt werden, dabei kann das Gruppenmitglied argumentierend vorgehen. Beim Notieren sollte es jedoch unkommentiert bleiben.
  • Alle Lösungsvorschläge werden unkommentiert und gleichberechtigt notiert.
  • Jetzt werden Punkte vergeben zu jedem Lösungsvorschlag. D.h. für jeden einzelnen Vorschlag wird jedes einzelne Gruppenmitglied nach der Punktevergabe gefragt.

Im ursprünglichen Prinzip werden 0 – 10 Punkte vergeben. Ich dachte mit jedoch für eine Vereinfachung reichen 0 – 5 Punkte. (Das Demokratie-Spiel Quarao benutzt hier auch nur 5 Punkte).

  • Die Punktevergabe:
  • Die Punkte sind Widerstandspunkte. Das heißt, je mehr Punkte für einen Vorschlag vergeben werden, desto mehr Widerstand hat die Person gegen diesen Vorschlag.
  • Also wenn eine Person 5 Punkte an einen Vorschlag vergibt, bedeutet das, dass sie völlig dagegen ist. Bei 0 Punkten gibt es nichts dagegen einzuwenden. Bei 1 Punkt sind zum Beispiel Bedenken da usw.
  • Der Vorschlag mit den wenigsten Punkten sollte der beste Weg sein, da am wenigsten Widerstand in der Gruppe vorhanden ist.

Das systemische Konsensieren – Mit Bildern vereinfacht und Inklusiv

Um das ganze inklusiver zu gestalten und zugänglicher zu machen, habe ich mir folgendes überlegt….

Die Lösungsvorschläge werden als Wege dargestellt, die begangen werden können.

Die Frage ist, welchen Lösungsweg wollen wir als Gruppe gehen?

Wenn ihr das auch verbildlichen wollt, können die Lösungsvorschläge (stichpunktartig) an der Tafel notiert werden, sodass sie als eine Art Wegweiser dastehen.

Tafelbild für das SK-Prinzip mit Bildern

Bei der Verteilung der Widerstandspunkte habe ich mir nun für jede Zahl ein Bild überlegt, dass nun in den Weg gelegt werden kann (anstatt eine Zahl, die genannt wird). Die Frage ist, was legst du diesem Vorschlag in den Weg?

Was legst du dem Vorschlag in den Weg?

grüner Pfeil für 0 Punkte

In den Weg kann nichts hinderliches gelegt werden und ein Pfeil zeigt an, dass dieser Vorschlag erwünscht ist (0 Widerstand)

rotes Schild für 1 Punkt

In den Weg kann ein Schild gestellt werden, das dafür steht, dass dort jemand Bedenken hat (1 Widerstand)

Absperrband für 2 Punkte

Im Weg kann auch ein bisschen Absperrband gespannt sein, das jedoch auch gut überwunden werden kann (2 Widerstand)

Ein Busch für 3 Punkte

In dem Weg kann ein Busch wachsen, der erst überquert werden müsste (3 Widerstand)

Ein Zaun für 4 Punkte

In dem Weg kann ein richtiger Holzzaun stehen, der schon aufzeigt, dass jemand nicht unbedingt will, dass dort entlanggegangen wird, aber er kann noch mit Klettern überwunden werden (4 Widerstand)

Eine Mauser für 5 Punkte

Oder es steht dort eine richtige Mauer, die nur mit Müh und Not überwunden werden könnte (5 Widerstand)

So könnt ihr das Stimmungsbild der Gruppe visuell besser auffassen.

Jetzt können die Widerstandswerte noch ausgerechnet werden oder ihr sagt, ihr erkennt durch die Visualisierung bereits die besten Vorschläge.

Die Bilder sind von mir digital gezeichnet und als PNG hochgeladen, (d.h. ihr habt einen transparenten Hintergrund und könnt es für euer eigenes Material besser anpassen, wenn ihr die Bilder oben downloaden wollt) ich habe hier mit Absicht kein Wasserzeichen darauf gesetzt, damit es im Unterricht bedenkenlos und ohne Werbung benutzt werden kann. Dennoch unterliegt es meinem Bildrecht und jeglicher anderer Nutzen, zum Beispiel eine kommerzielle Verbreitung, ist ohne meine Zustimmung nicht erwünscht.

Werden Hindernisse tatsächlich in den Weg gelegt?

Wie die Schülerinnen und Schüler, Gruppenmitglieder o.ä ihren Widerstand äußern könnt ihr unterschiedlich angehen:

Die Gruppenmitglieder können sprachlich nennen, was sie in den Weg legen möchten. Ihr könnt dazu meine Vorlagen ausdrucken und als Visualisierung benutzen und es mündlich durchführen.

Übersicht Bilder und Punkte

Oder die Mitglieder der Gruppe/Klasse können die Hindernisse an die Tafel malen, dafür habe ich mir überlegt, wie die Symbole vereinfacht gezeichnet werden können.

Tafelbild mit Zeichnungen der Bilder
So könnte die Tafel aussehen
Übersicht mit Bildern, Punkten und Zeichnungen
Eine Übersicht, wie die Hindernisse gezeichnet werden können und für welchen Wert sie stehen

Oder wenn ihr ganz viel drucken möchtet, kann jedes Mitglied alle 5 Bilder erhalten und es wird mit Magneten o.ä. hinter jeden Vorschlag das entsprechende Bild gepinnt.

Tafelbild mit ausgedruckten Bildern

Oder ihr macht es ganz anders und schaut, wie ihr diese Bildchen benutzen wollt, dass es zur Gruppe oder Klasse passt.

Ich stelle hier von mir erstelltes Material zur Verfügung, dass ihr so verwenden könnt wie es in eurem Ermessen liegt, das es für eure Gruppe passt.

Wie war nochmal der Name? System.. Was?

Da der Name systemisches Konsensieren schwierig zu merken ist und auch nicht leicht zugänglich ist, schlage ich auch vor zu diesem System einen eigenen Namen mit der Gruppe zu finden. Damit es bei der nächsten Entscheidung jedoch nicht daran hapert, weil die Gruppenmitglieder nicht kommunizieren können, dass diese Entscheidungsform gewollt ist, könnt ihr euch überlegen, ob ihr es für euch privat umbenennen möchtet.

Euch fallen bestimmt interessante Namen ein. Mir fällt als Beispiel spontan nur  „Weg-Entscheidung“ oder „Hindernis-Entscheidung“ ein. Wenn ihr gute Namensideen habt, sehr gerne kommentieren!

Ansonsten könnt ihr auch die offizielle Abkürzung „Das SK- Prinzip“ benutzen.

Mit meiner Klasse kann ich das nicht machen …

Jede Gruppe/Klasse kann anders darauf reagieren, wenn diese Entscheidungsform durchgeführt wird.

Manche finden es vielleicht zu aufwändig, andere sind ganz begeistert. Doch gerade um stillere oder schnell benachteiligte Mitgliedern eine Stimme zu geben, finde ich diese Methode interessant.

Ob ihr die Bilder oder die Zahlen oder eine Kombination verwendet, kommt natürlich auch auf die Einschätzung der Gruppe an. Wichtig bei den Zahlen ist zu betonen, dass eine hohe Zahl nicht gleich gut ist.

Diese Methode muss zudem erst ein Mal an eine Gruppe herangeführt und erprobt werden. Es kann auch vom Vorteil sein, nicht von Anfang an zu versuchen, das gesamte System zu erklären, sondern Schritt für Schritt den Prozess durchzugehen und nach und nach zu erklären.

Am besten ist natürlich, wenn die Gruppe/Klasse etc. es nach dem Durchführen auch einmal von selbst vorschlägt.

Erzähl mir mehr …

Ich verlinke hier einmal die offizielle Website über diese Entscheidungsform, dort könnt ihr euch alles, von den Erfindern bis zu den Visionen detaillierter ansehen: Das SK-Prinzip

Wenn euch das Quararo-Spiel interessiert, habe ich hier ebenfalls den Link: Das Quararo-Demokratie-Spiel

Ich freue mich, wenn diese Methode eine Chance bekommt und Anklang findet. Sie mit einer Klasse oder Gruppe im Repertoire zu haben, kann in bestimmten Fällen sehr nützlich sein.

Wenn ihr auch Erkenntnisse, Erfahrungen oder Ideen habt rund um dieses Thema oder auch Anregungen, das ganze inklusiver zu gestalten, freue ich mich sehr, wenn ihr das Wissen in den Kommentaren teilt.

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